Gesumme und Zwitschern am Fenster

„Stellen Sie sich vor, Sie öffnen das Fenster und eine aromatische Duftwolke strömt Ihnen entgegen – und das mitten in der Stadt. Wie ein duftender Naturgarten vor dem Fenster entsteht, der zudem noch nützlichen Insekten wie Bienen und Hummeln ein Zuhause bietet.“
(Robert Koch: Fensterbankgärtnern)

Ist es wirklich möglich, sich nicht nur das Vogelgezwitscher an das offene Fenster zu holen sondern auch das Wildbienengesumme?

Das Vogelgezwitscher am Fenster ist schon längst Realität: Vor dem Küchen- und Stubenfenster einer balkonlosen Wohnung in Berlin-Hohenschönhausen, in einem Kiez mit 6- und 11-Geschossern, findet eine Ganzjahresfütterung im fünften Obergeschoss, hinterhofseitig statt. Verschiedene Meisen- und Finkenvögel sowie Stare bedanken sich bereits bei den Bewohnern mit ihrem Gesang. Das wird hier als der "Vorher-Zustand" bezeichnet.

Was ist nun mit dem Bienengesumme? Reichen ein Meter Fensterbank in der Küche und zwei Meter Fensterbank in der Stube um Wildbienen von Frühjahr bis Herbst anzulocken und vielleicht sogar am Fenster zur Brut zu bewegen?

Als Erstes frischte ich im Dezember meine Garten-Kenntnisse aus Kindheit und Jugend auf, gesammelt im elterlichen Schrebergarten. Und als Zweites kramte ich noch meine Permakultur-Restkenntnisse aus der Wendezeit – alles schien damals möglich – heraus. Da waren nun noch drei große Fragen offen; erstens und zweitens: Welche Blütenpflanzen mögen die Wildbienen? Wie und wo bringen die Wildbienen ihre Brut unter? Diese Wissenslücken füllte ich mit Melanie von Orlows „Mein Insektenhotel“. Drittens: Wie fertige ich möglichst artgerechte künstliche Nisthilfen für Wildbienen? Diese Lücke füllte ich mit Melanie von Orlows „Ideenbuch Insektenhotels“.

Im Januar begann ich mit Entwurf und Bau eines modularen Insektenhotels. Im Februar erfolgte die Aufstellung der Pflanzenliste mit Blühkalender und die Generalprobe für das Zusammenspiel der Module des Insektenhotels. Zeitgleich empfahl mir ein imkernder Freund einen Sachkunde-Lehrgang am LIB in Hohen Neuendorf zum Thema „Hummeln, Wespen und Hornissen verstehen, beraten, schützen“. So lernte ich Melanie von Orlow nun auch persönlich kennen, denn sie führte den Kurs durch.

Seit Mitte März summt es vor dem Stubenfenster (Ausbaustufe 1) und seit Mai (Ausbaustufe 2) vor dem Küchenfenster. Das Insektenhotel vor dem Stubenfenster wurde von zwei Gehörnten Mauerbienen und zwei Lehmwespen (inc. sed.) angenommen.

Immer wieder schauen nicht gesehene brummende, summende und sirrende Besucher vorbei. Bisher gesichtet wurden u.a. Blaue Holzbiene, Glockenblumen-Scherenbiene, Luzern-Blattschneiderbiene, die leicht zu übersehende Düsterbiene, Dunkle Erdhummel, Steinhummel, Haus-Feldwespe, Gichtwespe (inc. sed.), Schlupfwespe (inc. sed.), Grabwespe (inc. sed.), Wegwespe (inc. sed.), asiatischer Marienkäfer, Florfliege, Raubfliege (inc. sed.), Hainschwebfliege und Gemeine Feld-Schwebfliege.

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Vorher- & Nachher-Bilder

Küchenfensterbank

Januar 2020: Das Küchenfenster gehörte bisher nur den Vögeln des Hinterhofs.

Stubenfensterbank

Das Stubenfenster ist bislang nur für Vögel interessant. Das wird sich ab Anfang März 2020 ändern.

Aktions-Bilder

Idee skizzieren

Januar 2020: Skizze vom Modul des Insektenhotels. Maße (Höhe, Breite, Tiefe): 20x8x10 cm. Die Grundidee ist ein Rahmen, der selbst vorgebohrte Brutröhren enthält und dann mit Bambusröhrchen und einer kleinen Holzscheibe gefüllt wird.

Bauplan erstellen

Nach der Ideenskizze wird die Bauzeichnung erarbeitet: Auf so engem Raum muss im Rahmen jede Bohrung für Brutloch und Schraubenloch exakt im voraus in Tiefe, Durchmesser und Platzierung bestimmt werden.

Zuschneiden und bohren

Jede vorgebohrte Brutröhre wird frontseitig mit 180er Schleifpapier entgratet. Anschließend werden die vier Rahmenteile geleimt und dann verschraubt.

Zusammenbauen

Die Bambus-Brutröhrchen werden entsprechend ihrem Innendurchmesser genau auf die empfohlene Länge zurechtgesägt und ebenfalls mit 180ger Schleifpapier entgratet. Danach erfolgt die Sortierung nach Länge und Durchmesser für den Einbau in den Rahmen.

Feinschliff geben

Final wird noch einmal der gesamte Korpus mit Feile und Schleifpapier überarbeitet und damit die Ungenauigkeiten den Zusammenbaus beseitigt.

Proben

Ende Februar 2020, Generalprobe vor der Endmontage: Passen die beiden Module auf die beschiente Grundplatte?

Vor dem Hängen soll auch schon ein Schutz vor proteinliebende Vögel bereitliegen, somit ...

Anzeichnen

... geht es jetzt mit dem Meisenschutz aus 4 Millimeter Plexiglas weiter.

Angezeichnet wird mit einem permanenten Folienstift auf der Schutzfolie der Scheibe.

Sägen

Gesägt wird mit einer einfachen Stichsäge mit dem feinsten Holz-Sägeblatt. Die Führung für einen geraden Schnitt übernimmt der Rest einer Buchenholzleiste. Der Vorschub sollte ganz langsam erfolgen, da sonst das Plexiglas schmilzt. Aus diesem Grund nehme ich auch kein Metall-Sägeblatt.

Bohren

Das Plexiglas wird mit dem Akkuschrauber (oder Bohrmaschine mit Drehzahlregler) sowie einem Metall-Bohrer (kein Holz-Bohrer!) bei niedrigster Drehzahl gebohrt. Mit einem 2-Millimeter-Bohrer vorbohren – Bohrführung für die großen Durchmesser. Auch hier gilt: geringer Druck, kleiner Vorschub!

Feilen und schrauben

Mit der Dreikantfeile wurden von der Meterware zwei M5-Gewindebolzen passender Länge abgetrennt. Jeder Bolzen wird mit Hutmutter, Mutter und zwei Unterlegscheiben an der Plexiglasscheibe festgeschraubt. Der gesamte Meisenschutz wird in Löcher am Insektenhotel-Modul eingeschoben – fertig.

Für 2021 planen

Projektweiterführung für 2021, weitere Baupläne: Ein Modul für Florfliegen oder/und Schmetterlinge oder/und Marienkäfer kann bei Bedarf gefertigt werden.

Standort für Solarpumpe wählen

Mai 2020: Aufwändiger als die Bepflanzung war auch die Installation der Solarbewässerung. Die Wasserbehälter mit der Pumpe stehen zwar auf der Küchenfensterbank, aber ...

Wasserführung montieren

... das Stubenfenster sollte von der Küche aus mitversorgt werden. Als „Installationsschacht“ wurde an der Vorderkante der Fensterbank, die zur Stube durchgeht, ein Kabelkanal montiert, und ...

Wasserverteilung aufbauen

... in diesen Kabelkanal dann der Zuleitungsschlauch eingebracht. Der liegt nun vor Witterung und Vogelkrallen geschützt in dem Kabelkanal. Mit T- und Winkelanschlusstutzen wurde vom Zuleitungsschlauch die Verteilung auf die einzelnen Kübel und Balkonkästen vorgenommen.

Und dann doch selber gießen

Die Solarbewässerung wird nur im Urlaub eingeschaltet. Ich gieße selbst. Die Zuteilung der Wassermenge erfolgt nach Feuchtigkeitsprüfung mit meinem Zeigefinger.

Nachher-Bilder

Ausbaustufe 2: Küchenfensterbank

Mai 2020, die fertige Ausbaustufe 2: Erstbepflanzung des Küchenfensters und Aufbau einer kleinen solaren Bewässerungsanlage sind abgeschlossen. Die Alpen-Waldrebe fühlt sich wohl, klimmt empor und steht dieses Jahr das zweite Mal in Blüte, mit einer Blüte.

Ausbaustufe 1: Stubenfensterbank

Ende Februar 2020, die fertige Ausbaustufe 1: Der warme Winter ließ schon jetzt die wildbienenfreundliche Erstbepflanzung am Stubenfenster zu. In der ersten Märzwoche patrouillierten bereits zwei Männchen der Gehörnten Mauerbiene das Fenster entlang.

Stubenfensterbank - Insektenhotel

Das Insektenhotel besteht aus zwei Modulen von je 20 cm Höhe. Die Grundplatte kann bis zu vier Module aufnehmen. Wie ich mit Schlagregen und Meisen-Gefahr umgehe: siehe Struktur-Fotos.

Stubenfensterbank - Insektenhotel

Die beiden oberen freien Modul-Plätze werden 2021 nach ermitteltem Bedarf bestückt. Dazu protokolliere ich dieses Jahr die beobachteten und bestimmten Insekten.

Insektenhotel - Erstbezug

Eine Gehörnte Mauerbiene beim Zumörteln ihrer nun voll belegten Brutröhre.

Insektenhotel - Erstbezug

Eine Lehmwespe (inc. sed.) beim Verproviantieren ihrer Brutröhre.

Besuch am Stubenfenster

Eine Blaue Holzbiene war im März für zwei Wochen ein Besucher am Stubenfenster! Das diese Wildbienenart zu den Gewinnern des Klimawandels gehört, zeigt die Insektenzählung des NABU-Insektensommers 2020. Erstmalig wurde sie auch auf der Insel Rügen gesichtet.

Besuch am Stubenfenster

Die Dunkle Erdhummel ließ sich nicht oft blicken. War ihr das 5. OG doch zu hoch?

Besuch am Stubenfenster

Die Steinhummel ist ein häufiger Gast an den Polsterglockenblumen. Mit dem Rücken zur Sonne bei angekippten Fenster lesend, erkenne ich sie bereits an ihrem mittelhohen Gesumme und habe mich bisher nie von anderem Insektensummen täuschen lassen.

Besuch am Stubenfenster

Eine Luzern-Blattschneiderbiene am Fenster! Das war Anfang Juni und, nach dem Erscheinen der Blauen Holzbiene im März – wieder ein unerwarteter Höhepunkt.

Nachher-Bilder

Stubenfensterbank: Gedacht war die kleine Schale eigentlich als Insektentränke, mit einem Korkfloß zum Sonnen. In einer Dürreperiode aber, lassen sich selbst die Großen Flieger des Hinterhofes (Ringeltaube und Nebelkrähe), trotz des sehr beengten Platzes, einen Schluck nicht entgehen.

Module des Insektenhotels: Sie sind zum Schutz vor Schlagregen und Meisen-Gefahr mit einer transparenten Plexiglasscheibe versehen; Abstand 3 cm. Zum Fotografieren können die Scheiben fix entfernt werden. Kommt der Winter, werden die Plexiglasplatten durch Siebdruckplatten (15 mm) ersetzt.

Küchenfensterbank: So wie es im Refrain eines Kinderliedes von Reinhard Lakomy & Monika Ehrhardt lautet „Wasser ist für alle, ist für alle da“, so ist diese Metallschale sowohl Vogelbad und –tränke als auch Insektentränke mit Sonnenplatz (Granitpflasterstein).

Ergänzendes Angebot für 2021:
Markhaltige Stängel
von Brombeere oder Holunder wird es im nächsten Jahr ebenfalls für die Wildbienen geben.
Die Anordnung der Stängel soll mehr sein, als eine wahllos aufgehängte Menge von Knüppeln.